58 SENGE DADOG - ‚DER GURU MIT DER LÖWENSTIMME‘ TIBET, 18. JH. 51 x 34 / 102 x 74 cm Guru Padmasambhava oder der „Kostbare Guru“, wie der große Gelehrte und Magier von den Tibetern auch genannt wird, gilt innerhalb der tantrischen Tradition des tibetischen Buddhismus als der zweite Buddha unseres gegenwärtigen Zeitalters. Ohne Begrenzung durch Zeit und Raum, Geburt und Tod, tritt Padmasmbhava, seit seiner ersten Erscheinung als „Lotusgeborener“ und seiner Verwirklichung des „Großen Regenbogenkörpers“, immer wieder in verschiedenen Gestalten und unter verschiedenen Namen auf, die aufs engste mit seiner spirituellen Entwicklung und seinem segensreichen Wirken, in Verbindung stehen. Dieses Verehrungsbild entstammt einer Reihe von neun Thangkas, die neben dem zentralen Thangka, mit der Darstellung des Großen Guru Pasdmasambhava, links und rechts je vier weitere Thangkas zeigte. Auf diesen acht Tempelfahnen sind jene acht Erscheinungsformen Padmasambhavas dargestellt, wie oben erwähnt: Tshökje Dorje - der „im See geborene Vajrahalter“ in der vereinten Urbuddhaform des Vajradhara. Loden Chogse - als der „Weisheitsverkünder“, eingeweiht in alle äuße- ren, inneren und geheimen Praktiken. Pemasambha - Der „Lotusgeborene“ Guru in Gelehrtenform. Padmasambhava als Nachfolger des Königs von Zahor. Padma Gyalpo - Der „Lotoskönig“ als Guru und Könissohn. Guru Nijma Öser - in der Yogiform der Leichenäcker, mächtig des „Sonnenstrahlenlichts“ und die Dämonen und Geister bezwingend. Guru Senge Dadog - der „Löwenbrüllende“, der die Häretiker über- kommt und mit der Löwenstimme lehrt. Shakja Senge - Der „Löwengewaltige des Shakja-Geschlechts“. Guru Dorje Drolo - Der „Dämonenbezwingende Vajrahalter“, der Herrscher über Götter und Dämonen. Guru Senge Dadog - ikonographisch von blauer Körperfarbe - ist von gedrungener und muskulöser Gestalt, jedoch höchst furchteinflößend. Man glaubt seine Löwenstimme hören zu können. Sein zäh- nebewehrter Mund ist geöffnet, seine Zunge nach hinten eingerollt. Flammen entspringen seinem Gesicht, und seine Augen treten wütend aufgerissen hervor. Auf seinem Haupt trägt er die fünffache Weisheitskrone der Tathagatas. Senge Dadogs rechte Hand ist drohend emporge- reckt und schwingt das Diamantzepter, den Vajra. Dieser ist seine diamantene Waffe, weil er alle Illusionen, alle Täuschungen durchtrennen, spalten, auflösen kann. Seine linke Hand richtet sich feindabwehrend nach vorne, um Dämonen und störende Kräfte abzuwehren. Seine Aggression gegen alles, dem Dharma schädlichen, ist beeindruckend durch seinen kraftvollen Ausfallschritt, mit dessen Füßen er Hindergeister niedertritt. Giftige Schlangen umwinden seine Gliedmaßen. Auf seinem Haupt trägt er einen halben Vajra, was ihn als Dharmaschützer ausweist. Als Hinweis auf seine Macht trägt er eine Löwen- und eine Tigerhaut um seinen Körper geschlungen. Eine Girlande mit (insgesamt 51) frisch abgetrennten Menschenköpfen, aufgereiht auf Gedärm, umwindet seine Hüften. Diese stellen Hemmnisse dar die überwunden werden müssen: Anhaften oder Ergreifen, Zorn (einschließlich Hass), Stolz und Arroganz, Unwissenheit oder Verblendung, hinderliche Zweifel und hinderliche Ansichten. Wut, Groll, Bosheit, Neid und Eifersucht, Grausamkeit; Geiz, übertriebenes Selbstwertgefühl, Erregung und Erschrecken, Verbergen der eigenen Laster und geistige Stumpfheit; mangelndes Vertrauen, Trägheit, Achtlosigkeit und mangelnde Aufmerksamkeit; Eigendünkel, Täuschung, Schamlosigkeit, mangelnde Rücksicht auf andere, mangelnde Gewissenhaftigkeit und Zerstreutheit. All dies betrachtend macht den konstruktiven Zorn des Schützers Senge Dadog verständlich. Jedoch richtet sich der Zorn lediglich gegen die schädlichen Energien, aus Mitgefühl, gleich einer Mutter, die ihr Kind aus Liebe zornig ermahnt Achtsamkeit und Hingabe, zum eigenen Nutzen, zu entwickeln. Ihm zur Seite tritt, mit ähnlicher ausschreitender Energie an ihn heran, seine Weisheitspartnerin. Des Schützers Basis ist ein Sonnenlotos der auf einem Felsmassiv ruht, umgeben vom Urozean. Begleitet wird der große Guru, in Gestalt des Senge Dadog, von vier seiner insgesamt fünfundzwanzig Schülern, die auf die restlichen Thangkas verteilt sind. Sie sind in ihren, ihnen eigenen Posen, dargestellt, v.o.n.u.: lHa lung dPal gyi rdo rje, einen Fels durchdringend (Fig. 7-328/330); rMa Rin Chen mchog, ein Stück Fels verzehrend (Fig. 7-324); Lang dPal gyi seng ge mit Glocke und Vajra, vor ihm Götter und Dämonen die er unterworfen hat (Fig. 7-239); ‘O dran dPal gyi dbang phyug, schwimmt wie ein Fisch (Fig.7-319-21). Über allen Erscheinungen thront inmitten von Regenbogenstrahlen Manjushrimitra (Fig. 7-110/111), ein indischer Weiser, mit einer Keule und einem Seil in Händen haltend. Links von ihm befindet sich ein Wasserbehälter nach indischer Tradition. Baumwollgewebe mit zinnoberroter Grundierung (tib. mtshal- thang), Goldlinienzeichnung, Pigmente. Die Gottheit und Partnerin sind aufgrund der Wertschätzung in Gold ausgeführt. Brokateinfassung neuzeit- lich. PROVENIENZ Aus einer alten und bedeutenden deutschen Privatsammlung, gesammelt zwischen 1950 und 1987, Sammlungsnummer. T 69 - Etwas berie- ben, kleine Alterssch. SENGE DADONG - ‚THE GURU WITH THE LION‘S VOICE‘ TIBET, 18TH C. Guru Senge Dadog - iconographically of blue body colour - is of stocky and muscular build, yet most fearsome. One thinks one can hear his lion’s voice. His fanged mouth is open, his tongue curled back. Flames spring from his face, and his eyes are wide with rage. On his head he wears the fivefold crown of wisdom of the Tathagatas. Senge Dadog’s right hand is raised threateningly, wielding the diamond sceptre, the vajra. This is his diamond weapon because it can cut through, split, dissolve all illusions, all delusions. His left hand is directed forward to ward off demons and disturbing forces. His aggression against anything harmful to the Dharma is impressive through his powerful lunge, with whose feet he tramples down hindering spirits. Poisonous snakes entwine his limbs. On his head he wears half a vajra, which identifies him as a Dharma protector. As an indication of his power, he wears a lion skin and a tiger skin wrapped around his body. A garland of (altogether 51) freshly severed human heads, lined up on intestines, wraps around his hips. These represent obstacles that must be overcome: Attachment or grasping, anger (including hatred), pride and arrogance, ignorance or delusion, hindering doubts and hindering views. Anger, resentment, malice, envy and jealousy, cruelty; avarice, exaggerated self-esteem, agitation and fright, concealment of one’s vices and mental dullness; lack of confidence, sloth, heedlessness and lack of attention; conceit, deceit, shamelessness, lack of regard for others, lack of conscientious- ness and absent-mindedness. Looking at all this makes the constructive anger of the protector Senge Dadog understandable. However, the anger is directed only against the harmful energies, out of compassion, like a mother who, out of love, angrily admonishes her child to develop mindfulness and devotion, for her own benefit. He is assisted by his wisdom partner, who approaches him with a similar outgoing energy. The base of the protector is a sun lotus resting on a rock massif, surrounded by the primeval ocean. The great guru, in the form of Senge Dadog, is accompanied by four of his twenty-five disciples, who are distributed among the remaining thangkas. They are depicted in their own poses, from top to bottom: lHa lung dPal gyi rdo rje, penetrating a rock (Fig. 7-328/330); rMa Rin Chen mchog, consuming a piece of rock (Fig. 7-324); Lang dPal gyi seng ge with bell and vajra, before him gods and demons he has subdued (Fig. 7-239); ‘O dran dPal gyi dbang phyug, swimming like a fish (Fig.7-319-21 ). Above all the apparitions, amidst rainbow rays, is enthroned Manjushrimitra (Fig. 7-110/111), an Indian sage, holding a mace and a rope in his hands. To his left is a water container according to Indian tradition. Cotton fabric with vermilion grounding (mtshal- thang), gold line drawing, pigments. The deity and partner are executed in gold because of the esteem in which they are held, brocade border modern. PROVENANCE From an old and important German private collection, collected between 1950 and 1987, collection no. T 69 - Minor wear and very minor dam- ages due to age 獅吼蓮師唐卡 西藏18世紀 朱紅棉地,蛋彩描金,新配錦裱 德國重要私人舊藏,集於1950至1987年期間 少許磨損,細小老化而損的痕跡 € 2500,-/3500,- 78